Das Opfer ist der neue Held – warum es heute Macht verleiht, sich machtlos zu geben
Matthias Lohre, Gütersloher Verlagshaus, 2019
Wäre diese Buch heute geschrieben worden und nicht vor einem Jahr, wäre es sicher um ein spannendes Kapitel reicher: wie kommt es, dass so viele sich als Opfer eines autoritären Staates begreifen, weil sie in Geschäften Masken tragen müssen und Abstandsregeln einhalten müssen? Und das vor dem Hintergrund dass unsere Fallzahlen doch so niedrig sind?
Matthias Lohre betrachtet den Opferbegriff zunächst aus historischer Sicht um dann einen Zeitgeist zu beschreiben, in dem Menschen, die weder hilflos noch verfolgt sind, die Opferhaltung nutzen um daraus Macht zu gewinnen.
Der Autor zitiert Trump: „Kein Politiker in der Geschichte – und ich sage das mit großer Gewissheit- wurde schlimmer und unfairer behandelt“ und fragt wie es kommen kann, dass Millionen Menschen seine Sicht auf sich und die Welt teilen können. Er analysiert gesellschaftliche Phänomene wie den Brexit, Trump, die AFD und auch die linke Identitätspolitik und beschreibt die psychologischen Hintergründe des Erfolges der Bewegungen. Und am Ende bietet er eine Lösung zum Ausstieg aus der Opferhaltung an.
Matthias Lohre nimmt einen für mich neuen Blickwinkel ein. An vielen Stellen stimmte ich innerlich zu, manchmal fühlte ich mich ertappt, aber Vieles regte mich zum Austausch an.
Durch den flüssigen und bisweilen unterhaltsamen Schreibstil eignet sich das Buch durchaus als Urlaubslektüre.
(Tipp von Jürgen Vieth)