Gesund durch den Berufsalltag, Teil 2

Stressabbau durch Achtsamkeit

Im ersten Teil des Newsletters hatten wir hergeleitet, warum das Konzept der Achtsamkeit unterstützend für die Entwicklung von mehr Resilienz und Gesundheit im Berufsleben sein könnte. Heute möchten wir Ihnen die Idee der Achtsamkeit kurz erläutern und ein paar kleine Übungen anschließen.

Entwickelt hat das Konzept der Achtsamkeit der 1944 geborene Professor für Medizin und Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn. Er konzentrierte sich in seiner Forschung auf die heilsame Wirkung unterschiedlicher Meditations- und Entspannungstechniken. Als Trainingsprogramm für den Geist verbindet er meditative Übungen in Ruhe und Bewegung mit Ansätzen aus der modernen Psychologie und Stressforschung. Bereits 1979 gründete er die renommierte Stress Reduction Clinic. Dort entwickelte er sein heute weltweit etabliertes Programm der Mindfulness-Based Stress Reduction – kurz MBSR. In diesem achtwöchigen Programm geht es um das Erlernen unterschiedlichster Techniken zur bewussten Lenkung der Aufmerksamkeit. Die Wirkung dieser Methoden ist mittlerweile in zahlreichen Studien nachgewiesen für:

  • die Steigerung der Aufmerksamkeitsregulation,
  • die Vertiefung des Körper-Gewahrseins und damit eine Verbesserung des eigenen gesundheitsfördernden Verhaltens,
  • die Wahrnehmung der Gedanken, Grübeleien und Ängste und gleichzeitig ein besserer Umgang damit und die präventive Wirkung u.a. für Depressionen,
  • die Veränderung im Umgang mit Gefühlen, besonders mit schwierigen Gefühlen.
  • Effekte auf die Hirnaktivität sowie die Hirnstruktur in acht Regionen darunter die Emotionsregulation und die Selbstregulation.

Was genau ist unter Achtsamkeit zu verstehen?

Zur Erklärung möchte ich ein Zitat von Jon Kabat-Zinn heranziehen:

„Achtsamkeit bedeutet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen. Diese Art der Aufmerksamkeit steigert das Gewahrsein und fördert die Klarheit, sowie die Fähigkeit, die Realität des gegenwärtigen Augenblicks zu akzeptieren. Sie macht uns die Tatsache bewusst, dass unser Leben aus einer Folge von Augenblicken besteht. Wenn wir in vielen dieser Augenblicke nicht völlig gegenwärtig sind, so übersehen wir nicht nur das, was in unserem Leben am wertvollsten ist, sondern wir erkennen auch nicht den Reichtum und die Tiefe unserer Möglichkeiten zu wachsen und uns zu verändern.“

Mit anderen Worten bedeutet das: Wirksam für einen gesunden Umgang mit Stress ist es, wenn automatisch ablaufende, dysfunktionale Reiz-Reaktionsmuster unterbrochen werden. Wir reagieren nicht länger wie der Pawlowsche Hund, der beim Läuten des Glöckchens in Erwartung des Essens anfing zu speicheln. Routine-Reaktionen werden durch Achtsamkeitsübungen zunehmend durch bewusstes, präsentes Handeln ersetzt. Die Sensibilität für die Anfänge von stressigen Situationen erhöht sich. Wenn wir bemerken, dass wir feinfühliger werden, ist das der entscheidende Schritt zur Achtsamkeit. Die Lücke zwischen Reiz und Reaktion ist dadurch schon etwas vergrößert und wir gewinnen Freiheit zurück.

Wenn es dann sogar möglich wird, durch das differenziertere Wahrnehmen der unterschiedlichen emotionalen, mentalen und körperlichen Effekte, eine bewusste Entscheidung zum Umgang mit der Situation zu treffen, ist es uns gelungen noch etwas mehr aus der Routine auszusteigen. Vielleicht erkennen wir, dass eine Reaktion nicht nötig ist, vielleicht probieren wir eine ungewohnte Handlung aus.

 

 

 

Achtsamkeit am Arbeitsplatz

Achtsamkeit will geübt sein. Es handelt sich um eine Praxis, die am besten regelmäßig Eingang in den Alltag finden sollte und damit tatsächlich das Leben ändert. Wichtig sind zwei Grundüberlegungen:

  1. Sich selbst ändern benötigt Zeit. Wenn Sie sich entscheiden, die ein oder andere Übung auszuprobieren, dann bleiben sie mindestens 2 Monate dran. Der ursprüngliche Achtsamkeitskurs ist deshalb für 8 Wochen konzipiert, weil es in der Regel so lange dauert, bis wir Alltagsroutinen verändert haben.
  2. Egal wie kurz eine Übung ist: Führen Sie sie durch. Besser kleine Änderungen als keine. Allerdings ist zu bedenken, dass auch unser Körper Zeit benötigt, die Stressabbauprodukte zu verstoffwechseln. Deshalb ist es sinnvoll, immer mal wieder Übungen einzubauen, die 20 – 30 Minuten in Anspruch nehmen, denn so lange dauert die Verarbeitung der Stressabbauprodukte im Körper.

Und nun zu den Übungen

  1. Geben Sie doch mal den Begriff Body Scan im Internet ein oder nutzen Sie diesen link. Es handelt sich bei der Übung, die Sie unter dem Namen finden, um den Klassiker des Sie finden sicher eine YouTube Stimme, die Ihnen zusagt und sie bei ihrem Start in die Achtsamkeitspraxis begleitet. Im Idealfall führen sie die Übung täglich durch. Am einfachsten gelingt die Umsetzung, wenn Sie sich eine Stelle am Tag aussuchen, wo die Übung automatisch hinpasst, wie das Zähneputzen in die Morgenroutine.
  1. Der zweite Klassiker ist die Drei – Minuten – Übung.
  1. Hier ein möglicher Ablauf für den Arbeitsalltag:
  • Wenn Sie Ihren Arbeitsweg beginnen, nehmen Sie sich eine Minute Zeit, um auf den Atem zu achten.
  • Auf dem Weg zur Arbeit, im Auto etwa, nehmen Sie die Spannungen im Körper wahr, z.B. verkrampfte Hände am Lenkrad, hochgezogene Schultern, angespannter Magen etc. Erlauben Sie sich, diese Spannungen zu lösen. Macht Sie das Angespannt-Sein zu einem besseren Fahrer oder einer besseren Fahrerin? Wie fühlt es sich an, entspannt zur Arbeit zu fahren?
  • Wenn Sie zu einer roten Ampel kommen, nutzen Sie die Zeit, um den Atem wahrzunehmen, ebenso die Bäume, den Himmel oder Ihre Gedanken in diesem Moment.
  • Wenn Sie am Arbeitsplatz angekommen sind, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um wirklich anzukommen.
  • Werden Sie sich am Arbeitsplatz immer wieder den körperlichen Wahrnehmungen bewusst und entlassen Sie unnötige Anspannung.
  • Entscheiden Sie sich, jede Stunde einen „Stopp“ von 1-3 Minuten einzulegen, während dessen Sie sich Ihres Atems und Ihrer Körperwahrnehmungen bewusstwerden.
  • Versuchen Sie am Ende des Arbeitstages kurz Rückschau zu halten. Beglückwünschen Sie sich zu der getanen Arbeit und machen Sie eine Liste für den nächsten Tag. Für heute haben Sie genug getan!
  • Nehmen Sie sich auf dem Nachhauseweg einen Moment Zeit, um bewusst den Wechsel von der Arbeit zu Ihrem Zuhause zu vollziehen. Nutzen Sie den Moment, um einfach nur zu sein. Wie die meisten Menschen sind Sie dabei, sich in Ihre nächste Vollzeitbeschäftigung zu begeben – Ihr Zuhause.
  • Wenn Sie Auto fahren, bemerken Sie, wann Sie anfangen, zu schnell zu fahren. Könnten Sie etwas daran ändern? Werden Sie sich bewusst, dass Sie über mehr Kontrolle verfügen, als Sie glauben.
  • Wenn Sie zuhause angekommen sind, nehmen Sie sich einen Augenblick, um sich bewusst auf das Zuhause-sein einzustimmen.
  • Legen Sie zuhause die Arbeitskleidung ab. Wenn möglich, schaffen sie sich 5-10 Minuten, um still und ruhig zu sein. Wenn Sie allein leben, nehmen Sie die Stille Ihrer Wohnung wahr und das Gefühl in deine Umgebung einzutreten.

Viel Erfolg, Freude und spannende neue Erfahrungen wünschen wir Ihnen beim Üben der Methoden, die hier angesprochen wurden. Vielleicht dehnen Sie Ihr Training etwas aus, wenn Sie hineingefunden haben.

Quellen

Santorelli, Saki (1999). Zerbrochen und doch ganz. Arbor Verlag

Kabat-Zinn, Jon (2006). Im Alltag Ruhe finden. Herder Spektrum.

Kabat-Zinn, Jon (2006). Zur Besinnung kommen. Arbor Verlag.

 

 

Monika Eckern