Zurück in die Zukunft – back to new reality

Endlich scheint die Freiheit zurück zu kommen. Viele haben sich danach gesehnt, waren der kontaktreduzierten Zeit überdrüssig. Die weitgehende anfängliche Zustimmung zu den einschränkenden Maßnahmen des Zuhause-Bleibens, des Home Offices und des Home Schoolings, des Abstandhaltens, des reduzierten Konsums oder des eingeschränkten Kontaktes bröckelte zunehmend mit den sich stark reduzierenden Neuinfektionen. Sich draußen frei bewegen und in Kleingruppen treffen zu können, den Kindern das Spielen auf den Spielplätzen zu ermöglichen und wieder überall einkaufen zu können – dies sind impulsive Forderungen geworden. Und nun werden sie vorsichtig eingelöst.

Wenn die Unternehmen ihre Türen vollständig öffnen werden und die Kolleg*innen aus dem Home Office wieder in den Büroräumen anzutreffen sind, wie wird das dann sein, wie wird sich das anfühlen? Niemand kann darauf eine Antwort geben. Wieso kann es nicht einfach so weitergehen wie vor der Coronazeit?

Die Rückkehr aus dem Abenteuer

Keinesfalls möchten wir die momentane Situation als ein lustvolles Abenteuer bezeichnen, in dem man sich Herausforderungen stellt und sich bewähren kann. Doch, wenn man sich das Abenteuer einmal genauer anschaut, dann können Analogien zum Hier und Jetzt gefunden werden. Die Struktur des Abenteuers folgt, wie es der emeritierte Marburger Sportprofessor Peter Becker formuliert hat, einer Dreiteilung.

  1. Der Aufbruch ins Ungewisse

Zunächst erfolgt der Aufbruch aus einem sicheren Alltag. Hier ist die erste Schwelle zu überwinden. Der Rucksack ist mit allen notwendigen Dingen gepackt. Das gewohnte, vertraute und sichere Setting wird verlassen und man begibt sich in einen Raum, der unbekannt und auch widerständig ist.

  1. Unterwegs sein – die Zwischenzeit im Abenteuer

Einmal unterwegs und aufgebrochen entsteht Reibung. Man wird mit Problemen konfrontiert, für die man noch keine Antworten, keine Handlungsanweisungen hat, die noch nicht gelöst sind. Das, was an Routinen, also bisher gemachte Erfahrungen und generiertem Wissen, abgespeichert werden konnte, ist in dieser Sphäre nur noch bedingt wirksam. Neues muss überlegt, erprobt und weiterentwickelt werden, um zu einer tragfähigen Lösung zu kommen. Diese unsichere Phase – auch als `Zwischenzeit` bezeichnet – stellt den Kern des Abenteuers, das Unterwegssein dar.

  1. Die Rückkehr

Nach Beendigung des Abenteuers erfolgt erneut ein Schwellenübertritt, nämlich die Rückkehr in den zuvor verlassenen Alltag – das nach Hause kommen. Aber, die Rückkehr ist kein einfaches Unterfangen. So wie Odysseus in Homers Erzählung erfahren musste, dass sich seine Heimatinsel Ithaka während seiner über 10-jährigen Reise verändert hat, ergeht es allen Abenteurer*innen. Das Leben in der Gemeinschaft ist nicht mehr dasselbe, wie vor dem Aufbruch, der Alltag ist also nicht mehr derselbe wie zuvor. Hinzu kommt, dass Odysseus von niemandem bei seiner Rückkehr erkannt wurde, nicht einmal von seiner Frau Penelope. Er musste sich auch hier erst bewähren, und eine bestimmte Frage beantworten, die ihn eindeutig identifizierte, da nur er selbst, Odysseus, die Antwort kennen konnte.
Die Bewältigung aller Herausforderungen verändert die Person. Sie kommt als andere Person zurück. Sie hat neues Wissen erworben, ist durch die Bewährung innerlich vielleicht stärker geworden und kommt mit einer gewissen Portion Selbstbewusstsein („Ich habe es geschafft!“) zurück – und die Haare sind länger geworden.

Coronazeit, eine Zwischenzeit?

Werfen wir nun nochmal einen Blick auf die gegenwärtige Situation bzw. auf die letzten Wochen. Der Ausbruch des Virus in Europa hat nicht nur in Deutschland zu einer Unterbrechung der Alltagsroutinen, zu einem plötzlichen Stopp geführt. Keinesfalls wurde diese Veränderung freiwillig aufgesucht, wir wurden hineingestoßen und hatten keine Wahl. Einige gerieten beruflich und privat in prekäre Lagen, waren mit Verlustängsten oder gar mit dem Verlust von vertrauten Menschen konfrontiert. Die meisten wurden im privaten wie auch im beruflichen Alltag mit Situationen konfrontiert, für die wir so schnell keine Lösung zur Verfügung hatten.

Home Offices mussten eingerichtet werden, Zusammenarbeit und Kommunikationskanäle haben sich plötzlich verändert. Seitdem wird „ge-zoomt“, sind wir in (Video-)calls verabredet und teilen unsere Informationen, Ergebnisse, Angebote und Dienstleistungen digital.

Rollenerwartungen an Führungskräfte und Mitarbeiter*innen haben sich vielerorts verändert. Workflows, Strukturen und die Form der Zusammenarbeit wurden plötzlich neu gestaltet, all das, um aus der Not eine Tugend zu machen und um die Herausforderungen zu bewältigen.

Manche haben einen Bedeutungsverlust erlebt, weil sie nicht mehr so wie bisher und in gewohnter Weise handeln konnten. Andere hingegen haben mit den plötzlichen Veränderungen einen Bedeutungsgewinn erfahren, weil sie mit ihren bislang ungenutzten Ressourcen hilfreich waren und sind. Sie alle haben sich bewährt und können sich nun auf die Rückkehr vorbereiten.

Haben Sie sich bereits Gedanken darüber gemacht, wie es sein wird, wenn alle Kolleg*innen wieder vor Ort sein werden? Kann nahtlos an die Zeit vor Corona angeknüpft werden? Oder wie kann der (neue) Alltag gestaltet werden?

„Man steigt nie zweimal

in denselben Fluss.“

(Heraklit)

Ein Fest zum Austausch

Eine antike Weisheit, die bereits bei Heraklit zu finden ist, kann unseren Umgang mit der Rückkehr in den (neuen) Alltag begleiten: „Man steigt nie zweimal in denselben Fluss.“

Die Welt um uns herum und wir selbst haben uns verändert, so dass es zu einer Neu-Begegnung kommen muss. Wie gestalten wir die neue Begegnung? In einigen Gemeinschaften wurde den Rückkehrenden zu Ehren bei ihrer Ankunft außerhalb der Dorfmauern ein Fest gefeiert. Dieses Fest sollte dazu beitragen, die Rückkehrenden zu prüfen und festzustellen, ob sie noch zur Gemeinschaft dazu gehörten oder nicht. Zusätzlich diente dieses Fest dazu, von den vielen Erfahrungen zu berichten und um das neu gewonnene Wissen weiter zu geben und zu teilen.

Kontakt vor Kooperation

Das Wieder-Zusammenfinden hat auch heute nicht an Wichtigkeit eingebüßt. Bevor man gut zusammen arbeiten kann, bevor Sie an dem, ‚wie es vor Corona war‘, anknüpfen, muss die Basis intakt sein. Der Kontakt im Team sollte initiiert und gefördert werden. Erst im Anschluss an den Austausch über die `Zwischenzeit`, über die Wahrnehmungen und die gemachten Erfahrungen kann eine kritische und konstruktive Auseinandersetzung über die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen stattfinden.

Störungen, welcher Art auch immer, haben Vorrang. Auf der Metakommunikationsebene stehen hier das persönliche Befinden und die Thematisierung der Beziehungen im Fokus.

Hilfreich ist dabei die Orientierung an einem Fragezyklus:

  • Was ist geschehen? Welchen Herausforderungen war ich, waren wir ausgesetzt? Wie bin ich/ sind wir mit damit umgegangen? Was ist mir/ uns gut gelungen? Was ist entstanden und welche Erfahrungen haben wir (miteinander) gemacht?
  • Wie ist es mir/ uns ergangen? Was ist mir wichtig? Wie ist das einzuordnen und welche Bedeutung hat das für mich/ für uns?
  • Was machen wir daraus? Welche Schlussfolgerungen ziehen wir? Was behalten wir bei und was können wir getrost über Bord werfen, weil wir es nicht mehr brauchen? Wie gestalten wir unsere Zukunft?

Wir empfehlen Ihnen bei der Rückkehr in die ‚neue Realität‘ kurz inne zu halten und dem Kontakt und der Reflexion Raum zu bieten.

Vielleicht gestalten Sie dazu ein ‚Fest‘, ein Welcome-Lunch oder gemeinsames Frühstück außerhalb des Unternehmens. Das muss nicht immer in der ganzen Runde erfolgen, sondern viele Gespräche mit vielen Menschen sind wichtig, natürlich mit angemessenem Abstand. Wählen Sie einen geeigneten Ort, zum Beispiel auf einer gut erreichbaren Waldlichtung, um den Ort als Reflexions- und Austauschraum zu nutzen. Oder suchen Sie einen See mit Weitblick auf, um einen Re-Start zu initiieren und, um den Fokus auf die Zukunft zu richten. Überprüfen Sie, wie Sie trotz der Abstandsregeln Kontakt herstellen und sich über Ihre Themen austauschen können.

Wir wünschen Ihnen dabei gutes Gelingen und ‚Herzlich Willkommen zurück in der Zukunft.‘

Text: Martin Lindner und Andreas Kalischefski

Fotos: Jürgen Vieth und Martin Lindner

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